Tea-Bag – eine Analphabetin
Aus Anlass des Todes von Henning Mankell am 5.Oktober 2015
Vielen ist Henning Mankell bekannt als Autor von Kriminalromanen mit dem Kommissar Kurt Wallander. Doch Mankell hat auch andere Romane geschrieben. Die meisten haben Bezug zu Afrika, das er als seine zweite Heimat betrachtete. Zu diesen Romanen gehört auch der Roman „Tea-Bag“, der 2001 auf Schwedisch und 2003 erstmals auf Deutsch erschien.
Tea-Bag ist eine junge Afrikanerin aus dem Sudan, der die Flucht übers Mittelmeer gelingt. Sie landet in einem spanischen Flüchtlingslager. „Wie heißt du?“, fragt sie dort der Registrierungsbeamte Fernando. „In diesem Moment beschloß sie, sich einen neuen Namen zuzulegen. Hastig schaute sie sich im Zimmer um und entdeckte die Teetasse auf Fernandos Tisch. – Tea-Bag erwiderte sie.“ (S. 11)
Nach einer Odyssee durch halb Europa landet sie in Schweden, wo sie mit der Russin Tanja und der Iranerin Leyla als Illegale lebt. Gemeinsam besuchen sie eines Tages eine Lesung des schwedischen Schriftstellers Jesper Humlin und bitten ihn, sie zu Schriftstellerinnen auszubilden, damit sie berühmt werden. Humlin, der sich in einer Krise befindet, lässt sich darauf ein. Während die anderen beiden in dem Kurs ihre Übungen schriftlich machen, bleibt Tea-Bags Blatt leer. Doch sie ist in der Lage, detailliert ihre Lebensgeschichte vom leeren Blatt abzulesen. Humlin ist fasziniert. „Ich kann nicht schreiben, sagte Tea-Bag, die Hunger bekommen hatte und jetzt Tubenmayonnaise auf eine Schreibe Brot quetschte.“ (S.325) …
„Tea-Bag“ ist ein lesenswerter Roman, der heute angesichts der Flüchtlingssituation eine neue Aktualität gewinnt.
Mankell, Henning: Tea-Bag. München: dtv 2005