Grotlüschen: Zum Vergleich von Kaiserreich und LEO-Daten bei X

soeben wurde ich auf Twitter/X-Meldungen aufmerksam gemacht, die in falscher Weise Daten zum Analphabetismus im Kaiserreich mit Daten der LEO-Studie vergleichen. https://x.com/Georg_Pazderski/status/1828336554214883367     https://x.com/11K6S/status/1830573473653006835

Zum Vergleich von Kaiserreich und LEO-Daten: Die Messmethode im Kaiserreich bestand darin, in den Heiratsregistern zu zählen, wie oft mit Namen unterzeichnet wurde und wie oft mit drei Kreuzen unterzeichnet wurde (Überblick: Döbert, Marion; Hubertus, Peter (2000): „Ihr Kreuz ist die Schrift. Analphabetismus und Alphabetisierung in Deutschland“, Seiten 16-18. Sie stützen sich u.a. auf: Engelsing, Rolf 1973: Analphabetentum und Lektüre, Stuttgart).

In der LEO-Studie arbeiten wir mit Alpha-Levels. Alpha-Level 1 bedeutet, dass man Buchstaben kennt (vielleicht nicht alle, aber die des eigenen Namens auf jeden Fall). Alpha-Level 2 beinhaltet die Wortebene, Alpha-Level 3 die Satzebene. Erst ab dem Alpha-Level 4, wenn man Texte lesen und schreiben kann, ist man nicht mehr gering, sondern umfassend literalisiert. Alpha-Level 1-3 fassen wir zusammen und das meinen wir, wenn wir 12 Prozent der Bevölkerung als gering literalisiert bezeichnen. Wir haben bewusst seit 2018 nicht mehr von ‚funktionalem Analphabetismus‘ gesprochen, weil das mit totalem Analphabetismus verwechselt wird.

Zu LEO und Fluchtmigration: Die gegenwärtig neu zuwandernden Menschen sind in den LEO-Studien nicht enthalten. Menschen, die Deutsch mündlich nicht soweit beherrschen, dass sie einer halbstündigen Befragung folgen können, sind ebenfalls nicht im Datensatz enthalten. LEO 2010 und 2018 sind bevölkerungsrepräsentative Haushaltserhebungen der 18-64jährigen Wohnbevölkerung. Menschen in Unterkünften sind nicht erfasst (Weder Justizvollzug noch Pflege noch Behinderung noch Neuzuwanderung). Ältere über 65 sind nicht erfasst.
Broschüre: https://leo.blogs.uni-hamburg.de/leo-2018-62-millionen-gering-literalisierte-erwachsene/   Buch, vollständig gratis zugänglich: https://www.wbv.de/shop/detail/565fe39025c437d2a8fee69f256e336d
Zur Frage, ob Deutschland besonders im Niedergang sei: In der OECD und Partnerländern liegen vergleichbare Quoten im Durchschnitt bei 19,8 Prozent der Bevölkerung, Deutschland liegt im Mittelfeld. https://www.oecd.org/en/publications/skills-matter_1f029d8f-en.html   Tabelle 2.1, Seite 43.

 

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