Deutsche schätzen sich als gute Leser ein

n-tv   3.4.12  Umfrage

….. Mit sich selbst gehen viele Deutsche weniger hart ins Gericht als mit den Parteien. In der vergangenen Woche wurden die Teilnehmer gefragt, wie sie ihre eigenen Fähigkeiten in bestimmten Bereichen einschätzen. Abgefragt wurden Lese- und Schreibkompetenz, die Beherrschung von Fremdsprachen sowie Schwimmen und Radfahren. In allen Bereichen gab eine Mehrheit an, die genannten Fähigkeiten sehr gut bis gut zu beherrschen. Große Unterschiede gibt es hier zwischen den Altersgruppen und vor allem zwischen den Bildungsschichten.

Beim Lesen sind 89 Prozent der Deutschen der Meinung, dies sehr gut oder gut zu beherrschen. Nur 9 Prozent hielten ihre Lesefähigkeit für mittelmäßig, 1 Prozent gab an, schlecht oder gar nicht lesen zu können. Ähnlich verhält es sich mit dem Schreiben: 84 Prozent meinen, sehr gut bis gut schreiben zu können, 20 Prozent immerhin mittelmäßig. Wiederum 1 Prozent kann nach eigener Einschätzung nur schlecht oder gar nicht schreiben. Das deckt sich nicht mit Zahlen, die die Universität Hamburg nach einer Lesestudie 2011 veröffentlichte („Level-One-Studie“). Laut dieser Zahlen gibt es in Deutschland schätzungsweise 4 Prozent Analphabeten und weitere 10 Prozent funktionale Analphabeten – also Menschen, die zwar Lesen und Schreiben gelernt, aber einfachste Sätze beim Lesen nicht verstehen oder aufschreiben können.

Die Selbsteinschätzungen variieren je nach Geschlecht, Alter und Bildungsstand. Unter den 18- bis 29-Jährigen lag der Anteil derer, die ihre Lesekompetenz für schlecht oder nicht vorhanden einschätzten, bei 0 Prozent. Unter den Hauptschulabsolventen halten 17 beziehungsweise 21 Prozent ihr Können im Lesen und Schreiben für nur mittelmäßig. Es sind eher die Männer, die in beiden Bereichen kritisch mit sich sind: 14 Prozent glauben, mittelmäßig lesen, 20 Prozent, mittelmäßig schreiben zu können. Bei den Frauen sind es dagegen nur 5 beziehungsweise 11 Prozent.

Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Radfahren

Umgekehrt sieht es beim Radfahren aus. 12 Prozent der Frauen gaben an, es nur schlecht oder überhaupt nicht zu können. Unter den Älteren (60 Jahre und älter) ist es insgesamt jeder fünfte. Unter den Jungen (18 bis 29 Jahre) finden sich die meisten, die meinen, gut oder sehr gut Rad fahren zu können. Erstaunlicherweise steigt hier die Selbsteinschätzung mit dem formalen Bildungsabschluss. Mehr Abiturienten und Studierte können Rad fahren als Menschen mit mittlerem Abschluss oder Hauptschule.

Am stärksten zeigen sich die Unterschiede zwischen den Bildungsabschlüssen bei den Fremdsprachen. Insgesamt geben 37 Prozent an, eine Fremdsprache sehr gut bis gut zu beherrschen, weitere 36 Prozent immerhin mittelmäßig. 27 Prozent dagegen sprechen eine andere Sprache nur schlecht oder gar nicht. Bei den Hauptschulabsolventen sind es aber 61 Prozent, die keine Fremdsprache können, bei den Menschen mit Abitur und Studium dagegen 55 Prozent mit „sehr gut“ und 34 Prozent mittelmäßig.
Glaubt man der Selbsteinschätzung der Befragten, ist das Lesen die Fähigkeit, die sich insgesamt die meisten Menschen zutrauen – 89 Prozent. Mit Fremdsprachen dagegen stehen viele Deutsche auf Kriegsfuß, nur 37 Prozent halten sich für gute oder sehr gute Sprecher. Tendenziell trauen sich jüngere Menschen in all diesen Bereichen mehr zu als ältere

Ursachen von funktionalem Analphabetismus

Übernommen von „Spaß am Lesen“

In der Dezember-Ausgabe von „Bild der Wissenschaft“ stand ein interessanter Beitrag zur Entstehung von funktionalem Analphabetismus.
Neuropsychologen aus Magdeburg haben drei Jahre lang die biologischen Ursachen von funktionalem Analphabetismus untersucht. Sie fanden zwei Auslöser, die zusammen ein hohes Risiko bilden:
Einerseits eine genetisch bedingte Anfälligkeit und andererseits eine belastende Lebenssituation im Schulalter.
Den Artikel lesen Sie hier.

Wissenschaft und Forschung: Lesen lernen

Übernommen von „Spaß am Lesen“

Von Pavianen, Computerspielenden Kindern und lesen lernen

Aus zwei ganz unterschiedlichen Ansätzen haben Forscher etwas über unser Gehirn herausgefunden. Und jetzt wissen wir ein bisschen besser, wie lesen lernen funktioniert..
Die erste Forschergruppe hat Pavianen beigebracht, existierende Wörter von sinnlosen Buchstabenkombinationen zu unterscheiden. Natürlich haben die Paviane danach nicht die Bedeutung der Wörter verstanden. Aber eine naheliegende Schlussfolgerung ist: Lesen fängt damit an, Wortbilder zu sehen. Lesen Sie mehr

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Test zur Legasthenie-Erkennung

„Ob ein Kind eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hat, lässt sich offenbar schon im Kindergarten-Alter mit einem einfachen Test erkennen. In einem Experiment stellte sich heraus, dass betroffene Kinder Schwierigkeiten mit Aufgaben haben, die hohe visuelle Aufmerksamkeit erfordern.   … …

Bisher hätte man vor allem Schwierigkeiten im Hören und Verstehen von Sprache als Hauptproblem bei der Legasthenie angesehen. Überraschenderweise seien die Defizite in der visuellen Aufmerksamkeit aber ebenfalls deutliche Vorzeichen für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche. …“

  • Bundesverband Legasthenie zur umstrittenen Methode Davis.Methode hier bei ökotest
    Krankenkassen zahlen Legasthenie Test, aber nicht die Therapie
    Stellungnahme zur Methode hier

Unterschied: Legasthenie – (funktionaler) Analphabetismus – LRS

Dieser  Beitrag wird immer aktualisiert.

Es gibt bisher nur eine bruchstückhafte Auseinandersetzung zum Thema: Welchen Unterschied gibt es zwischen Analphabetismus und Legasthenie. Die Bundesverbände Legasthenie (BLV) und Alphabetisierung und Grundbildung (BAG) vermeiden jeweilig den anderen Begriff.
Im BVL sind Eltern und Therapeuten organisiert, die auf der Schul- und Ausbildungsebene schon viel erreicht haben (Nachteilsausgleich). In einem Aufsatz von Petra Küspert in der LeDy 3/11 „Legasthenie im Erwachsenenalter“ wird mit keinem Wort erwähnt, dass es Volkshochschulkurse, Selbsthilfegruppen oder das Lernportal www.ich-will-lernen.de gibt. Die Beschreibung der Problematik und der Therapie/Unterrichtsansatz unterscheiden sich in keiner Weise.
In der Definition „funktionaler Analphabetismus“ der„Zielgruppenanalyse“ des vom BMBF eingerichteten Förderschwerpunktes „Forschungs- und Entwicklungsvorhaben im Bereich Alphabetisierung/Grundbildung für Erwachsene“ wird der Begriff Legasthenie vermieden (s.u.).

Abgrenzung: Analphabetismus / Legasthenie / Lese-Rechtschreibschwäche (LRS)/ Lese-Rechtschreibstörung

Almut Schladebach: Definition Legasthenie: (nach Wikipedia)
Legasthenie ist die Bezeichnung einer neurobiologischen Störung. Als Ursache werden eine genetische Disposition, Probleme der auditiven und visuellen Wahrnehmungsverarbeitung, der Verarbeitung der Sprache und vor allem der Phonologie angenommen. Diese Bezeichnung wird besonders im Bereich der Medizin und Psychologie und vom Bundesverband Legasthenie (BVL) verwendet. Der Begriff Legasthenie ist umgangssprachlich durchaus präsent, wird jedoch in der Amtssprache, in wissenschaftlichen Publikationen und von internationalen Organisationen wie der WHO zunehmend durch die Bezeichnung Lese-Rechtschreibstörung (LRS) bzw. Dyslexie ersetzt. Insgesamt ist die Definition umstritten und sehr schwierig. Es sind Menschen mit „normaler“ Intelligenz, die Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben haben. Es gibt zudem so viele verschiedene Formen der Legasthenie wie es Legastheniker/-innen gibt. Es gibt sogar Professoren, die Legastheniker sind. Bei diagnostizierter Legasthenie gibt es einige Unterstützungsmöglichkeiten in öffentlichen Bildungseinrichtungen (Nachteilsausgleich mit längeren Prüfungszeiten u.ä.). Allerdings kostet eine Diagnose zwischen 200€ und 400€, weil sie von Psychologen oder Ärzten vorgenommen werden muss. Zum Teil übernehmen das die Kassen.
Ketzerisch gesagt sind Menschen aus der „Mittelschicht“ mit Lese- und Schreibproblemen Legastheniker, Analphabeten nennt man die aus der sogenannten „Unterschicht“. Letztere hatten keine Eltern, die sich Therapeuten leisten konnten. Die Gründe liegen also eher im sozialen Bereich.                             (Nov. 2011)

  • Brauchen wir die Legasthenie? Zum Konstrukt der Legasthenie,  Renate Valtin   dgls   , Gibt es Legasthenie?  in „Rechtschreiben in der Diskussion“ hier
  • Informationen für Beratungslehrkräfte, Regionale Schulberatungsstelle des Kreises Borken,  hier
  • Der sogenannte funktionale Analphabetismus – eine sprachkritische Bestandsaufnahme, Sept 2012,Rosenbladt, LegaKids  hier
  • Legasthenie aus der Sicht der leo-Studie Juli 2012  www.alpha-fundsachen.de/archives/3375
  • Legastheniker vs. funktionale Analphbeten!?  „Legastheniker werden immer wieder aus Unwissenheit mit Analphabeten verwechselt, sie werden leider auch in der Fachwelt, mit dieser Klientel verwechselt, dennoch haben sie nichts damit zu tun….“ mehr bei legasthenie coaching
  •  im Waxmann Verlag gibt es die Dissertation  von Michael Grosche Titel: Analphabetismus und Lese-Rechtschreib-Schwächen.Ergebnisse der Studie finden sich in “ Beeinträchtigungen in der phonologischen Informationsverarbeitung bei funktionalen Analphabeten“. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 25 (4), 277-291.., 2011″Die Untersuchung kommt zum Schluss, das für Legasthenie und funktionalen Analphabetismus dieselben phonologischen Beeinträchtigungen ursächlich verantwortlich sind. Zwar hat Analphabetismus ohne Frage deutliche soziale Gründe, die phonologischen Störungen sind allerdings auch sehr wichtig, um das Phänomen Analphabetismus verstehen zu können.“ Grosche
  • (d) Abgrenzung und Verhältnisbestimmung zur Legasthenie in „Ein Grund für Bildung“, Prof., Dr.  Harald Wagner,Ev. Hochschule f. Soz. Arbeit Dresden, Bielefeld 2011, S. 89
  • Legasthenie kritisch gesehen :
    Legasthenie
    , Ada Sasse, Bernhard Hofmann (Hg), Berlin 2006;  dgls    Legasthenie – Geschichte einer Pathologisierung, Doris Bühler-Niederberger, S. 20 Der medizinische Ansatz der Legasthenie und seine Problematik, Renate Valtin, S.44
  •  Analphabetismus, Legasthenie, Lese-Rechtschreibschwäche, Alfa-Rundbrief Nr 30, 1995  hier
  • „Erwachsene, denen zwar grundsätzlich die Aneignung von literalen Kompetenzen möglich ist, die aber aufgrund psychoorganischer Beeinträchtigungen Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb hatten oder haben. Hierunter fallen alle Erwachsene mit zum Beispiel Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, Lernbehinderungen und auditiven oder visuellen Wahrnehmungsstörungen.“ Egloff, B., Grosche, M., Hubertus, P. & Rüsseler, J. (2011). Funktionaler Analphabetismus im Erwachsenenalter: eine Definition. In Projektträger im DLR e.V. (Hrsg.), Zielgruppen in Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener. Bestimmung, Verortung, Ansprache (S. 11-31). Bielefeld: Bertelsmann,  S. 22
  • Legasthenie Diskussion, Tagesspiegel 6.12.11, alpha-fundsachen Zusammenfassung hier
  • google News : neuste Meldungen zum Thema Legasthenie hier
  • Analphbetismus Ursachen und Hintergrunde, Margret Neu, 15.5.2012 : hier

Das Gehirn verändert sich durch das Lesenlernen – auch bei Erwachsenen

„Zwei französische Studien ergaben, dass sich das Gehirn durch das Lesenlernen verändert.

Die meisten Auswirkungen des Lesenlernens auf den Kortex sind bei den Probanden, die eine ganz normale Schulbildung durchlaufen haben, die gleichen wie bei den Probanden, die erst als Erwachsene das Lesen erlernt haben. Das Gehirn ist also plastisch genug, dass auch das Lesenlernen im Erwachsenenalter noch zu ähnlichen Ergebnissen führt wie in der gewöhnlichen Schulzeit.

http://idw-online.de/pages/de/news400082

Fachbuch: Das lesende Gehirn

Wie der Mensch zum Lesen kam und was es in unseren Köpfen bewirkt.  Maryanne Wolf

http://www.welt.de/wissenschaft/article9289315/Was-Kindern-das-Lesen-schwer-macht.html

Klappentext
Aus dem Amerikanischen von Martina Wiese. Das lesende Gehirn erkundet die wundersame Fähigkeit unseres Denkorgans, sich als Reaktion auf äußere Veränderungen immer wieder anzupassen und neu zu organisieren. Diese „offene Architektur“ – also die Elastizität und Plastizität – unseres Gehirns hilft den Menschen einerseits, lesen zu lernen und geschriebene Sprache zu verarbeiten, kann ihnen andererseits aber diesen Prozess auch erschweren. Maryanne Wolf beschreibt nicht nur, wie und wann sich in der Geschichte der Menschheit Schriftsysteme und Lesefähigkeiten entwickelt haben, sondern zeigt auch auf, welche Veränderungen in unseren Gehirnen stattfinden, wenn wir lesen und uns nach und nach von Leseanfängern zu immer erfahreneren Lesern wandeln. Und sie geht der Frage nach, was in Menschen vorgeht, die etwa an Lese-Rechtschreib-Schwäche leiden und gegen sie ankämpfen. Wolf bringt gleichermaßen ihre persönliche Leidenschaft und ihre schriftstellerische Gabe in diese Geschichte des lesenden Gehirns ein. Jeder, der gerne liest, wird von diesem kleinen Meisterwerk populärwissenschaftlicher Literatur fasziniert sein.

Kommentar:Es ist beruhigend und faszinierend – wir arbeiten richtig.  Das Buch ist von einer Wissenschaftlerin geschrieben, die ausdrücklich den Anspruch formuliert, allgemein verständlich zu sein. Sie hat einen Sohn, der Legastheniker ist, man spürt die Empathie und die Motivation für ihre Arbeit. (A.Schladebach)